„Streckenthin wird Zadeks Illyrien“. Hamburger Abendblatt, 23. Februar 2005

Veröffentlicht von Thomas am

Shakespeare: Peter Zadek plant mit Tom Stromberg Topinszenierungen wie „Was Ihr wollt“ in der Dorfidylle Brandenburgs

VON KLAUS WITZELING 

Hamburg – Im Herrenhaus von Streckenthin, auf halbem Wege zwischen Hamburg und Berlin, wollen der Schauspielhaus-Intendant und das Regie-Genie künftig hochkarätiges Theater mit Zadeks Schauspielerfamilie, u. a. Eva Mattes, Susanne Lothar und Angela Winkler, in Kooperation mit Festivals, der Ruhr-Triennale und Stadttheatern produzieren und auf Tournee schicken. 

ABENDBLATT: Haben Sie sich mit der Gründung von my Way production einen Plan oder gar einen alten Traum verwirklicht, den Sie schon lange hatten? 

PETER ZADEK: Ich habe immer schon den Traum gehabt, mit einer Gruppe durch die Welt zu ziehen wie Shakespeare. Mit 15, als ich mir die ersten Gedanken über das Theater machte. Ich habe es mehrere Male versucht, mit Gruppen loszuziehen, es hat nie geklappt. Es fehlte eine Figur wie Tom Stromberg, der die Dinge von außen betrachtet und in die Hand nimmt. Nur Idealist zu sein ist ja ein bißchen doof. 

ABENDBLATT: Betrachten Sie diese für Sie eigentlich gar nicht so neue Produktionsform als die der Zukunft, um anspruchsvolle Inszenierungen mit kleineren Summen verschiedener Theater und Festivals auf die Bühne zu bringen? 

PETER ZADEK: Nein, es ist nur eine sehr mögliche Form der Theaterproduktion. Besondere Inszenierungen müssen von mehr Leuten gesehen werden, indem sie auf Tournee gehen. Das deutsche Theater ist für mich provinzieller geworden. Französische Theater können auch schrecklich sein, aber dort ist eine Aufführung von Marseille bis Paris überall zu sehen. Das ist ein demokratischer Vorgang, subventioniertes Theater muß mehr als lokale Zufriedenheit herstellen. In meiner Erinnerung waren in den 60er und 70er Jahren mehr große Theater auf Tourneen. Das Burgtheater und viele andere Theater reisten herum. Wichtige Sachen konnte ich sogar in Bremen sehen. 

ABENDBLATT: Sind die reisenden Aufführungen zu den vielleicht dann nur noch offenen Häusern nicht ein Schlag gegen das Ensemble- und Repertoire-Theater? 

ZADEK: Im Gegenteil. Es ist ein Weg, Ensembles zu erhalten. Ensemble bedeutet nicht, lauter Schauspieler, die zufällig am selben Haus arbeiten, sondern Schauspieler, die miteinander Dinge erschaffen. 

ABENDBLATT: Welche besonderen Qualitäten an Tom Stromberg schätzen Sie, die Sie bewogen haben, mit ihm den Kreativ-Pool zu gründen? 

ZADEK: Stromberg? Seinen Enthusiasmus, seine Erfahrung und Lust, andere Arten von Theater auszuprobieren. Sein Theater ist nicht so „settled“. Er hat die Fähigkeit, Leute zusammenzubringen. Es ist nicht unbedingt so, daß Tom und ich immer denselben Geschmack haben, das wäre aber auch gar nicht gut, weil dann das ganze Projekt ja ein Selbstverherrlichungsunternehmen wäre. Ich glaube, daß sein Interesse an jungen Schauspielern und jungen Theatermachern besonders wichtig für dieses Unternehmen sein wird. Mein Interesse für Angela Winkler und Eva Mattes ist größer als das für den Nachwuchs. Um so wichtiger, daß Tom dieses Ausbildungsprojekt in den Vordergrund rückt. 

ABENDBLATT: Das Programm konzentriert sich auf Shakespeare. Gibt es noch Dramen von ihm, die Sie nie realisiert haben, weil Sie – etwa an bestimmten Komödien oder Historien – kein Interesse hatten oder es nicht wagten? 

ZADEK: Ja, ganz viele, der hat ja furchtbar viel geschrieben. Die Situation gab manches nicht her. Es gibt auch Stücke von Shakespeare, die mich nicht besonders reizen, z. B. „Coriolanus“, das mich vom Thema her nicht interessiert. Wenn Shakespeare wirklich politisch ist, dann ist er nicht politisch genug für mich. Dann mache ich lieber gleich Brecht. 

ABENDBLATT: Werden Sie sich nach den für Sie wenig erfreulichen Erfahrungen mit den Hamburger Schauspiel-Studenten am geplanten Postgraduate-Projekt beteiligen? 

ZADEK: Ja und wie! Ich gehe davon aus, daß dieser Haufen von Hamburger Studenten, den ich da zufälligerweise hatte, nicht typisch ist. Ich habe wunderbare Arbeiten gemacht mit Studenten an der Ernst-Busch-Schule in Berlin, und ich sehe überhaupt keinen Grund, daß wir nicht genauso wunderbare Arbeiten in Zukunft machen. Das hat mit Interesse zu tun. Aber bestimmt nichts mit Hamburg oder nicht Hamburg. 

ABENDBLATT: Warum ist der Ort auf dem Land der ideale Ort für die Proben von „Was Ihr wollt“?

ZADEK: „Was Ihr wollt“ spielt in Illyrien. Ich wollte immer wissen wo Illyrien ist, und jetzt weiß ich es, es ist bei Pritzwalk. 

Hamburger Abendblatt, 23. Februar 2005

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