„Jan Plewka in der Rolle seines Lebens. Auf Kampnagel singt er Lieder von Rio Reiser – ein neues, morbideres Programm“ Hamburger Abendblatt, 5. September 2019
Falk Schreiber
Auf Kampnagel proben Plewka, Tom Stromberg und die Band Schwarz-Rote Heilsarmee „Wann, wenn nicht jetzt“.
Hamburg. Jan Plewka sieht nicht gut aus. Mit flackerndem Blick unterm Tropenhelm und barfuß geistert der Sänger durch die Kampnagel-Hallen, richtet eine Taschenlampe ins Publikum. Und brabbelt. „Als Heinrich Schliemann Troja entdeckte, da fragte man, was er dort gefunden hätte. Und er antwortete … Ton, Steine und Scherben.“ Und dann dröhnt die Band los: Jan Plewka singt Rio Reiser, endlich wieder.
2004 steckte das von Tom Stromberg geleitete Hamburger Schauspielhaus in der Krise – schwache Zuschauerzahlen, miese Kritiken, alles übel. Bis Stromberg Jan Plewka für ein szenisches Konzert engagierte: Songs des 1996 gestorbenen Ton-Steine-Scherben-Sängers Rio Reiser, schon damals im Grunde ein Anachronismus. Aber: Mit der Personalie Plewka gelang Stromberg ein Glücksgriff. Der Sänger der damals pausierenden Rockband Selig war ähnlich wie Reiser ein brüchiger Charakter, schillernd zwischen Euphorie und Absturz, uneindeutig zwischen den Geschlechtern, gleichzeitig intim und hochpolitisch. „Jan Plewka singt Rio Reiser“ war ein Hit im Schauspielhaus-Repertoire, der auch nach dem Ende von Strombergs Intendanz immer wieder aufgeführt wurde und mit „Rausch“ 2015 auf Kampnagel eine Art Fortsetzung (allerdings ohne Reiser-Songs) erlebte.
Plewka: „Musikmachen ist immer ein Zeitdokument“
Aktuell proben Stromberg, Plewka und die Band Schwarz-Rote Heilsarmee das dritte Programm „Wann, wenn nicht jetzt“ auf Kampnagel. Dunkler ist es als die 15 Jahre alte Variante, härter auch: Bei „Menschenfresser“ sägen die Metalgitarren, „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ ist wütende Agitation, „Wir müssen hier raus“ wuchtiger Rock.