„Saufen im Garten. Doris Gerckes ‘Weinschröter, du musst hängen‘ „. Eine Buchvorstellung Süddeutsche Zeitung, 31.September 2006
„Süddeutsche Zeitung Kriminalbibliothek“
Wodka und Polizei – ob die Kombination gut geht? In diesem allerersten Bella-Block-Krimi von Doris Gercke mit dem wunderbaren Titel „Weinschröter, du mußt hängen“ gehen jedenfalls Wodka-Orangensaft und Heldin eine unauflösbare Verbindung ein. Als absolutes Lieblingsgetränk von Bella Block sorgt es für manche Aufheiterungen, Tröstungen, Gedankenblitze. Natürlich nicht ohne Folgen … „Bella Block stand neben dem Fahrstuhl und wartete. Der Kopf tat ihr weh, weil sie am Abend zuvor zu viel Wodka getrunken hatte. Die Füße taten ihr weh, weil sie unbequeme Schuhe anhatte (…) Die Notlösung, um nicht zu spät zu kommen, war knallrot und hatte Vierzehn-Zentimeter-Absätze. Scheiße, murmelte sie vor sich hin.“
Das Buch machte Ende der 80er Sensation: Der ermittelnde Kommissar ist nicht nur eine Frau (was damals noch ganz ungewöhnlich war), sie ist auch bereits „in reiferen Jahren“ – wie man so scheißcharmant sagt, würde Bella das schnodderig kommentieren. Saufen und Sex ist sie keineswegs abgeneigt und von Männern lässt sie sich schon gar nichts vormachen.
So viel moralische Coolness war man von deutschen Büchern bis dahin nicht gewöhnt …
Inzwischen ist Doris Gercke mit unzähligen Auflagen ihrer Krimis berühmt geworden, hat Preise bekommen und gilt als erfolgreichste Krimiautorin Deutschlands. Und einige Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes war Bella Block ein zweites Mal Sensation: Bella Block als Fernsehkommissarin, dargestellt von Hannelore Hoger (vor kurzem lief gerade ihr 20. Fall!). Dass die Hoger eine ganz, ganz großartige Schauspielerin ist, dürfte ja allgemein bekannt sein, aber in dieser Rolle übertrifft sie alles. Wie sie dieser Figur Fleisch, Stimme, Lakonie gibt, ich sage nur: Kongenial!
In ihrem ersten Fall kann sich Bella Block vor ihrem anstrengenden neuen Chef gleich gemütlich in die Büsche schlagen. Sie soll nämlich in dem Dorf ermitteln, in dem sie just ein ererbtes Haus besitzt, setzt sich also erstmal in den Garten und säuft. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Leser bereits, dass die Selbstmorde im Dorf tatsächlich keine waren und die Mörderin weiterhin Rachepläne schmiedet. Wie es auf dem Land ist, darüber kann ich seit kurzem mitreden. Ich wohne dort – zum ersten Mal in meinem Leben. Während also Bella noch von Landidylle träumt, wird der Leser bereits schonungslos vertraut gemacht mit dörflicher Enge, gegenseitigen Bespitzelungen, Quälereien und sozialen Ausschlussmechanismen. Das Dorf als Mikrokosmos des grausamen Sozialtiers Mensch.
Natürlich ist die Täterin eigentlich das Opfer, wie es sich für eine Autorin gehört, die das sympathische Bedürfnis verspürt, sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen kritisch auseinanderzusetzen. Ein engagiertes Frauenbuch hat man das damals sicher genannt, aber zum Glück bleibt die Geschichte durch Bella Blocks Witz und unkonventionelle Art erfrischend unideologisch.
Der Einsatz der Autorin für die Benachteiligten und ihre Freude an unkonventionellen Entscheidungen spielen ihre Rolle auch beim überraschenden Schluss.
Als Bella Block nämlich erfolgreich den Täter ermittelt hat, ist ihre Polizei-Karriere auch schon am Ende … Warum? Das hängt mit dem Sendungsbewusstsein der Autorin zusammen. Am besten: Lesen!