„Norton.commander.productions.: „Tropfen auf heiße Steine““. Impulse Festivalheft 2003
Nach R. W. Fassbinders Theaterstück
In:„Impulse“ Festivalheft 2003
Tom Stromberg
Eine Produktion der Bundeszentrale für politische Bildung und Norton.commander.productions. in Koproduktion mit der Europäischen Werkstatt für Kunst und Kultur Hellerau e. V., Podewil, Mousonturm Frankfurt a. M., FFT Düsseldorf und der Kulturstiftung der Dresdner Bank. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin und das Kulturamt der Stadt Dresden
Regie: Harriet Maria Meining und Peter Meining
Musik: Tarwater
Ein Mann trifft einen Mann. Der ältere begehrt den jungen wegen seiner schönen Beine und braunen Augen. Man kommt zusammen, der junge Mann zieht ins Haus des älteren, übernimmt willenlos die Rolle des Geliebten und Hausmannes. Sex und Abwaschen, Sex und Staubsaugen – in kurzer Zeit ist ihr Verhältnis ebenso schal, stereotyp und emotionslos wie die übliche bürgerliche Ehe. An ihrem cool routinierten Leben ändert sich auch nichts als zwei Frauen dazu kommen, die als Ex-Partnerinnen der beiden neue Ansprüche stellen.
Im Sound der Berliner Band Tarwater (der viel mehr ist als nur eine musikalische Illustrierung des Geschehens) monologisieren vier Menschen (Eva van Heijningen, Pascale Schiller, Haymon Maria Buttinger, Mario Mentrup) kommunikations- und bindungsunfähig vor sich hin, schauen voller Gleichgültigkeit am anderen vorbei. „Liebe existiert nicht. Es gibt nur die Möglichkeit von Liebe“, hat Rainer Werner Fassbinder einmal gesagt. Diese Möglichkeit führt in „Tropfen auf heiße Steine“ ein kümmerliches Dasein als Spiel von Zerstörung und Selbstzerstörung. Am Ende ist der junge Mann tot – ganz beiläufig geht er aus dem Leben des älteren, der ungerührt weitermacht wie bisher.
Die Theatermacher Norton.commander.productions. haben in einer theatralen Installation mit viel technischem Einsatz eine Neuauflage des gleichnamigen frühen Theaterstücks (1964) von Rainer Werner Fassbinder gewagt, gehen ein großes Risiko ein – und gewinnen. Fassbinders besonderer „Ton“, seine radikale Sicht auf gesellschaftliche Zustände, seine ästhetische Kompromisslosigkeit mögen einzigartig sein. Aber dieser Produktion gelingt es in subtiler Weise, Fassbinders Obsession nicht zu verraten und in den durchtechnisierten Alltag des 21. Jahrhunderts zu überführen. Die Regisseure Meining und Meining behaupten in einem überzeugenden multimedialen Mix aus Theaterspiel, Video, Foto und Musik die brennende Aktualität Fassbinders.