„Schauspielhaus ist „Theater des Jahres““. Die Welt, 10.09.2005
Späte Genugtuung für Ex-Intendanten Stromberg – Schirmer will seinem Vorgänger nacheifern
Es ist eine späte Anerkennung für Tom Stromberg: Die Fachzeitschrift „Theater heute“ wählte das Deutsche Schauspielhaus unter seiner Leitung zum „Theater desJahres“. „Ich freue mich unheimlich. Das ist einfach großartig“, sagte Stromberg. Das sei auch eine „späte Genugtuung, sich so zu verabschieden“. Wiebke Puls, die in zahlreichen Inszenierungen unter seiner Leitung zu sehen war, wurde zur „Schauspielerin des Jahres“ ernannt, Shakespeares „Othello“ in der Regie von Stefan Pucher mit Alexander Scheer in der Hauptrolle zur „Inszenierung des Jahres“ gewählt.Nach seinem mißglückten Start an der größten deutschen Bühne im Jahr 2000 hatte die renommierte Zeitschrift das Schauspielhaus noch zum „Ärgernis des Jahres“ gewählt.
Bis zur dritten Spielzeit ging es bergab: Die Zuschauer blieben aus, wichtige Mitarbeiter verließen das Haus. Es folgte eine Schlammschlacht mit der Kultursenatorin des CDU- FDP-Schill-Senats, Dana Horáková, bei der Stromberg den kürzeren zog: Sein 2005 auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert, und Friedrich Schirmer aus Stuttgart zu seinem Nachfolger ernannt.
Wie zum Trotz läutete Stromberg mit seinem Ensemble „Noch zwei Jahre Wahnsinn“ ein – und plötzlich stellte sich auch der Erfolg bei Publikum und Kritik ein. Die Regisseure Jan Bosse, René Pollesch, Stefan Pucher und Ingrid Lausund lockten ein junges Publikum an, Klassiker-Inszenierungen wie „Faust“ und „Othello“ füllten das Haus. „Es hat lange gedauert, vielleicht zu lange. Aber wir sind da angekommen, wo wir immer hinwollten“, sagte Stromberg am
Ende. Die Auszeichnung zum „Theater des Jahres“ gibt ihm nun recht.
Allerdings änderte der gebürtige Wilhelmshavener seine Linie radikal. Von seiner zunächst jahrelang betriebenen und allzu stur für gut befundene Exerzitien für Minderheiten wandte er sich dann dem Massenpublikum und -geschmack zu. Quotemachen gilt längst nicht mehr als ehrenrührig oder als Gegensatz von Kunst. Das hat Stromberg zwar spät, doch nicht zu spät begriffen.
Zum Abschied zeigt sich der 45jährige versöhnlich. „Es muß nichts wieder gut gemacht werden“, meinte er am Freitag. „Wir hatten eine tolle Zeit. Und die beiden vergangenen Jahre waren großartig“, sagte der Ex-Intendant, der sich auf sein Gut im brandenburgischen Streckenthin zurückgezogen hat und dort zusammen mit Peter Zadek Shakespeare produziert. Seiner Ex-Ehefrau Wiebke Puls, die die Auszeichnung zur „Schauspielerin des Jahres“ für ihre imposante Kriemhild in Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Hebbels „Die Nibelungen“ erhalten hat, wünschte er alles Gute. „Ich freue mich unglaublich für sie.“
Freude äußerten auch hochrangige Vertreter der Hamburger Kulturszene. „Ich finde das sehr positiv für die Stadt“, sagt Ulrich Khuon, einst selbst Intendant des Jahres. „Ich freue mich und gratuliere herzlich.“ Ähnlich äußerte sich Strombergs Nachfolger im Schauspielhaus, Friedrich Schirmer: „Ich habe Tom Stromberg schon gratuliert. Ich finde das großartig. Er hat diese Auszeichnung verdient und erarbeitet, und wir tragen sie mit Stolz und Freude. Den „Othello‘ werden wir wie vieles andere aus dieser Spielzeit weiter zeigen. Natürlich ist das auch Ansporn für uns; Stromberg hat es in seiner fünften Spielzeit geschafft. Wir werden dem nacheifern.“ Kultursenatorin Prof. Dr. Karin von Welck sagte: „Hamburg ist stolz auf gleich drei bedeutende Auszeichnungen“. Die Auszeichnung für das Schauspielhaus habe Stromberg mehr als verdient. „Er hat in Hamburg vor allem in den letzten zwei Jahren eine herausragende Arbeit als Intendant geleistet.“ Sie lobte „großartige Produktionen mit wunderbaren Schauspielern und überzeugenden Regiearbeiten“.